Die Forschungsgruppe ‚Digitale Praxis‘ wurde von der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck (DMGD) gegründet, um die Nutzung medizinischer Daten zur Verbesserung der Versorgung von Patient*innen zu erforschen. Mithilfe dieser ‚Datenmedizin‘ soll dem Mangel an Hausärzt*innen – insbesondere in ländlichen Gebieten – entgegengewirkt werden. In einem neuen, zwölfminütigen Video kommen Akteure der ‚Digitalen Praxis‘ zu Wort und geben Einblicke in die Arbeit und den Aufbau der Forschungsgruppe.
„Datenmedizin bedeutet, dass Patient*innendaten in den Mittelpunkt der Befundung, der Diagnose und der Therapie gestellt werden“, so Prof. Dr.-Ing. Kai Hahn. Vitalparameter der Patient*innen müssen erhoben und im Anschluss vorverarbeitet werden, um für die Mediziner*innen für Diagnose und Therapie von Nutzen zu sein. Prof. Hahn spricht von einer logischen Dreiteilung einer ‚Digitalen Praxis‘ in Datenerhebung, -verarbeitung und -anwendung. Entsprechend besteht die Forschungsgruppe aus drei Units:
Unit 1: Fortschrittliche Messtechnik
Unit 2: Intelligente Infrastruktur
Unit 3: Multilateraler Nutzen
„Die Forschungsgruppe setzt sich zusammen aus den Themen Sensorik, künstliche Intelligenz und Übertragung der Daten in einen Versorgungsprozess, der sich dann intersektoral entwickeln lässt“, beschreibt auch Dr. Olaf Gaus. Die drei Units sind eng miteinander verbunden, bauen aber auch aufeinander auf. Zur Unit 1 geben Prof. Dr.-Ing. Kai Hahn und Prof. Ph.D. Kristof Van Laerhoven im Video kurze Einblicke in den aktuellen Stand der Messtechniken, die sich in den letzten Jahren stark entwickelt haben. Neben Smartwatches gibt es z. B. Messmethoden, die auf Licht basieren, oder Earables, also Wearables, die am Ohr getragen werden. Dr. Olaf Gaus betont in diesem Zusammenhang auch die Unerlässlichkeit des Selfcare Managements von Patient*innen.
KI- und Cloud-Technologien sowie die KI-gestützte medizinische Datenverarbeitung zählen zum Forschungsgebiet von Unit 2. Auf Basis von KI-Algorithmen sollen die automatisch übermittelten Vitalwerte der Patient*innen analysiert werden. Eine Vorabbewertung der Daten sorgt für eine zeitliche Entlastung der Ärzt*innen. Diese Beurteilung der Daten funktioniert, indem die Vitalparameter von der KI mit einer großen Menge bereits vorhandener Daten verglichen werden. Dr. Christian Weber beschreibt im Video die Bedeutung großer Datenmengen für die Mustererkennung mittels KI.
Unit 3 der ‚Digitalen Praxis‘ fokussiert sich auf alle Aspekte der Nutzenbewertung und des Kommunikationsdesigns. Auch gehört die Akzeptanzanalyse in den Bereich dieser Arbeitsgruppe. „Da kommt es auf digitale Gesundheitskompetenz – ‚eHealth Literacy‘ – an“, erläutert Prof. Dr. med. vet. Jan Ehlers. Menschen müssten in der Lage sein, an einem digitalisierten Gesundheitssystem teilzuhaben, das auch Verhaltensänderungen im Rahmen des Selfcare Managements anstrebt. Des Weiteren spricht Prof. Ehlers Nachhaltigkeitsthemen im Rahmen der Telemedizin an.
Das Konzept einer ‚Digitalen Praxis‘ gilt vor allem als Problemlösung für medizinisch unterversorgte ländliche Regionen. In den nächsten fünf Jahren ist laut Dr. Olaf Gaus ein Rückgang der Ressourcen in der ambulanten Versorgung von bis zu 50 Prozent zu erwarten. „Wir müssen reagieren auf diesen Rückgang“, so Dr. Gaus. „Daran arbeiten wir auf der wissenschaftlichen Seite mit Hochdruck. Dafür möchte sich die DMGD gemeinsam mit der Forschungsgruppe in Dienst stellen.“
Weitere Informationen zur DMGD und der Forschungsgruppe ‚Digitale Praxis‘ finden Sie online unter folgenden Links:
https://dmgd.de/
https://dmgd.de/digitale-praxis/
‚Digitale Praxis‘ im DMGD-Talk
Aspekte des Konzepts ‚Digitale Praxis‘ sowie nötige gesundheitspolitische, technische, infrastrukturelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen werden auch in den Folgen des DMGD-Talks „Gesundheitspolitische Gespräche“ mit Expert*innen weiter erörtert. Zum Beispiel diskutierte Dr. Olaf Gaus mit Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA (Folge 23), sowie mit Dr. med. Thorsten Hornung, Geschäftsbereichsleiter Medizinmanagement am UKB Bonn (Folge 24), über die Themen Ambulantisierung von Versorgungsleistungen und Überwindung der Sektorengrenzen. Im Interview mit Prof. Dr. med. Martin Mücke, Direktor des Instituts für Digitale Allgemeinmedizin an der Universitätsklinik RWTH Aachen und Vorstandssprecher des ZSEA – Zentrums für Seltene Erkrankungen Aachen (Folge 7), standen die Chancen des Einsatzes von KI im Bereich der medizinischen Diagnostik im Vordergrund. Prof. Mücke engagiert sich ebenfalls als Mitglied der Siegener Forschungsgruppe ‚Digitale Praxis‘. Gemeinsam mit der DMGD und weiteren Partnern entstand unter seiner Leitung bzw. Konsortialführung der Innovationsfonds-Antrag ‚DM2go‘. Auch Prof. Dr. Werner Mäntele, CSO bei der von ihm mitgegründeten DiaMonTech AG in Berlin, wurde von Dr. Olaf Gaus in Folge 11 der Gesundheitspolitischen Gespräche interviewt. Den Fokus dieses Gesprächs bildete die Möglichkeit, Blutzuckerwerte mittels Infrarotlicht auf nichtinvasive Art zu messen.