„Medizin braucht mehr Datenmedizin“ – Vorstellung innovativer Ansätze für die gesundheitliche Versorgung

Am 4. Juni gab Dr. Olaf Gaus als geschäftsführender Leiter der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck (DMGD) im Rahmen der universitätsinternen Veranstaltungsreihe „KiS – Der Kanzler informiert Sie“ Einblicke in die Arbeit der DMGD und deren aktuelle Projektvorhaben. Er erläuterte, dass digital unterstützte Lösungsansätze zur Entlastung der gesundheitlichen Versorgung schon heute sehr gefragt sind und aufgrund des steigenden Ressourcenmangels und der demografischen Entwicklung in Zukunft unabdingbar werden. Hierzu stellte er das von der DMGD entwickelte Konzept einer ‚Datenmedizin‘ und die Forschungsgruppe ‚Digitale Praxis‘ vor.

Mit Verweis auf eine stetig älter werdende Gesellschaft erklärte Dr. Olaf Gaus in seinem Vortrag „Digital unterstützte Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“, welche Auswirkungen sich bereits jetzt für die gesundheitliche Versorgung abzeichnen: „Nicht nur die Patient*innen werden älter, sondern natürlich auch die aktiv praktizierenden Mediziner*innen. Es wird also eine Lücke in der gesundheitlichen Versorgung entstehen.“ Er zeigte auf, dass die Prävalenzen chronischer Erkrankungen ansteigen – und damit einhergehend der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung. Gleichzeitig müsse dem Mangel an Mediziner*innen, insbesondere in der ambulanten Versorgung, dringend begegnet werden, da absehbar nicht genügend Ärztinnen und Ärzte ausgebildet würden und sich zugleich die präferierten Arbeitsmodelle veränderten. „Die klassische hausärztliche Einzelpraxis ist kein attraktives Modell mehr für junge Mediziner*innen. Der Trend geht eher hin zu Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren, in denen Ärzt*innen zunehmend in Anstellung arbeiten“, so Dr. Gaus.

Entlastung sollen u. a. digitale Lösungsansätze schaffen, wie sie von der DMGD im Rahmen innovativer FuE-Projekte im Dreiländereck NRW/RLP/HE seit einigen Jahren erprobt werden. „Wir möchten insbesondere die Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen unterstützen. Dazu brauchen wir innovative Digitalisierungskonzepte – das nennen wir ‚Datenmedizin‘“, erklärte Dr. Olaf Gaus als angestrebtes Ziel der Modellregion und verwies auf das jüngst im Springer Verlag herausgegebene, gleichnamige Fachbuch ‚Datenmedizin‘. Bei Planung und Umsetzung der Projektvorhaben arbeite die DMGD eng mit niedergelassenen Ärzt*innen in der Fläche, aber auch mit Mediziner*innen aus Kliniken und Krankenhäusern sowie mit Akteuren aus dem Pflegesektor zusammen. Am Beispiel der Projekte ‚DataHealth Burbach‘ und ‚Telemed@ATN‘ erläuterte er, welche Vorteile sich durch die Integration eines Selfmonitorings ergeben, bei dem die Patient*innen eigenständig bzw. mit Unterstützung von Pflegepersonal eigene Vitaldaten erheben, die dann in einer Cloud gespeichert, (vor-)ausgewertet und der Hausarztpraxis zur Verfügung gestellt werden. Als ganzheitliches Modell für die zukünftige Versorgung stellte Dr. Olaf Gaus die ‚Digitale Praxis‘ vor, bei der das Konzept des Vitaldatenmonitorings in Verbindung mit einem intelligenten, KI-gestützten Datenmanagement auf Cloud-Basis und einer optimierten intersektoralen Kommunikation skizziert wird. An dessen konkreter Umsetzung und weiterer Erforschung arbeitet die DMGD gemeinsam mit der gleichnamigen interdisziplinären Forschungsgruppe ‚Digitale Praxis‘ sowie dem breit aufgestellten Partnernetzwerk aus Akteuren aus dem Gesundheitswesen, der Politik und der Wirtschaft.

Dr. Olaf Gaus beendete seinen Vortrag mit einem kleinen Praxistest und einem damit verbundenen Appell: „Es ist enorm schwer, die seit Jahrzehnten eingefahrenen Prozesse im Gesundheitssystem in Bewegung zu bringen. Krankenkassen und Mediziner*innen sprechen nicht mit Pflegeeinrichtungen und so weiter  – das versuchen wir mit Digitalisierung zu ändern. Ich möchte Ihnen einen Eindruck geben, wie schwierig es ist, aus diesen Routinen herauszukommen und sich zu bewegen – wie schwierig dieser Change-Prozess ist.“ Er forderte die Uni-Mitarbeiter*innen im Publikum auf, aufzustehen, näher zusammenzurücken und die Lücken zu ihren jeweiligen Sitznachbar*innen zu füllen. „Wir müssen die Kommunikation durch Digitalisierung verdichten und Nähe schaffen, wir müssen sie verständlich machen und besser verteilen. Das bedeutet: Wir müssen zusammenrücken. Dafür müssen wir bereit sein, unsere Routinen zu verlassen – das ist die große Herausforderung im Gesundheitssystem“, so Dr. Gaus.

Kanzler Ulf Richter bedankte sich für die spannenden Einblicke in die Arbeit der DMGD und lobte deren Ansatz, die gesundheitliche Versorgung zukünftig digitaler zu gestalten: „Vielleicht verstehen wir jetzt alle besser, wie KI uns helfen könnte: Wir alle wissen um den ‚lack of ressources‘ in der medizinischen Versorgung – im Prinzip könnten wir diese Lücke mit KI etwas schließen.“

Die universitätsinterne Veranstaltungsreihe „Der Kanzler informiert Sie (KiS)“ dient dem regelmäßigen Austausch zwischen dem Kanzler der Universität Siegen, Ulf Richter, und den Mitarbeiter*innen zu aktuellen Themen aus der Verwaltung und laufenden Projekten wie etwa baulichen Entwicklungen. Abschluss der Veranstaltung bildet ein Gastvortrag, bei dem sich eine Initiative, Institution oder Abteilung der Universität mit ihrer Arbeit präsentiert. Dieses Mal war Dr. Olaf Gaus als Gastredner geladen, der als geschäftsführender Leiter die Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck vorstellte.

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