Das Thema Hausärztemangel vor allem in ländlichen Regionen gewinnt an Brisanz – und auch im Kreis Siegen-Wittgenstein zeichnet sich ein signifikanter Ärztemangel ab. Das Projekt DataHealth Burbach verfolgt in diesem Zusammenhang das Ziel, die Gesundheitsversorgung für den ländlichen Raum einerseits zu erhalten und andererseits zukünftig zu verbessern.
Verschiedenen Kommunen in Siegen-Wittgenstein droht eine hausärztliche Unterversorgung oder die Versorgung erscheint auf mittlere Sicht gefährdet. Dieser Mangel ist unter anderem durch die Entwicklung der Arztzahlen und die Altersstruktur der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Medizinerinnen und Mediziner bedingt. Viele von ihnen arbeiten bereits heute über die Altershöchstgrenze hinaus in ihrer Praxis weiter, da sie keine Nachfolge finden. Junge Ärztinnen und Ärzte haben indes oft das Bedürfnis, sich in urbanen Zentren niederzulassen.
In der Projektregion „Hickengrund“ in Burbach ist der Hausärztemangel vor allem durch die altersbedingte Schließung umliegender Praxen bereits eingetreten. Im Hickengrund versorgen mittlerweile nur noch zwei hausärztliche Einzelpraxen etwa 6.000 Menschen. Es besteht somit eine unmittelbare Handlungsnotwendigkeit. Hier knüpft DataHealth Burbach in mehreren Schritten an. Das Forschungsprojekt kann einen effektiven Beitrag dazu leisten, die Versorgung größerer Patientenpopulationen durch weniger Medizinerinnen und Mediziner auf einem hohen Niveau zu erhalten.
Schritt 1: Vitaldatenerhebung durch Patientinnen und Patienten & Akzeptanzforschung (4 Monate)
Das Projekt DataHealth Burbach wird in Kooperation mit zwei Hausarztpraxen und einem Pflegeheim umgesetzt. Es werden zunächst Patientinnen und Patienten aus den Praxen rekrutiert und mit technischen Devices ausgerüstet, mit deren Hilfe sie Vitaldaten selbst erheben und an die betreuende Hausarztpraxis weiterleiten können. Im Rahmen einer parallel durchgeführten Akzeptanzforschung wird ermittelt, welche individuellen Zugänge zu neuen Technologien bestehen. Da es sich um einen intersektoralen sowie interprofessionellen Ansatz handelt, werden neben den Patient*innen auch Ärzt*innen, medizinische Assistent*innen und das Pflegepersonal befragt. Dazu gehört auch, dass Verbesserungen in den prozessualen Abläufen der Pflege, der medizinischen Behandlung und der interprofessionellen Kommunikation untersucht werden.
Die zur Datenerhebung und -übertragung genutzten Messgeräte sind medizinisch zertifiziert. Zur Übertragung der Daten werden sowohl die Health-App des Smartphone-Geräteherstellers als auch eine Interface-App genutzt. Die Hausarztpraxen können auf die digitalen Gesundheitsdaten zugreifen und Videokonferenzen mit den Patienten abhalten.
Schritt 2: Gesundheitsdatentransfers von chronisch kranken Patientinnen und Patienten im Pflegeheim zur Hausarztpraxis (5 Monate)
Im zweiten Schritt werden von jeder Hausarztpraxis je zehn Bewohner*innen des Pflegeheims ausgewählt und mit Geräten zur sensoralen Vitaldatenaufzeichnung ausgestattet, die über einen Zeitraum von vier Monaten ihre Gesundheitsdaten (Blutdruck, Puls, Gewicht, Blutzucker, Sauerstoffsättigung, EKG) in regelmäßigen Abständen an die Hausarztpraxis übermitteln. Ein erfolgreicher Umgang mit der Technologie zur Datenaufzeichnung wird nach vorheriger fachlicher Unterweisung unterstützt durch das Pflegepersonal. In vereinbarten Intervallen erhalten die Patient*innen Feedback durch die Hausärztin oder den Hausarzt. Im Anschluss werden wissenschaftliche Interviews mit Hausärzt*innen, Patient*innen und dem Pflegepersonal geführt.
Schritt 3: Gesundheitsdatentransfers von chronisch kranken Patientinnen und Patienten, die im eigenen Haushalt leben, zum Hausarzt (5 Monate)
Anknüpfend an Schritt 2 werden auch im dritten Schritt durch die beiden Hausarztpraxen je zehn chronisch erkrankte Patientinnen und Patienten mit digitalen Geräten zur sensoralen Vitaldatenaufzeichnung und einem Smartphone ausgestattet, um darüber Gesundheitsdaten an die Hausarztpraxis zu transferieren. Die Teilnehmenden leben in diesem Fall allerdings zu Hause. Es folgen erneut Interview mit allen Beteiligten.
Schritt 4: Wissenschaftliche Auswertung der Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für eine Digitalisierungsstrategie über den Umgang und Nutzen flexibler Patientendaten (3 Monate)
Die Ergebnisse der Studie werden analysiert und wissenschaftlich aufbereitet. Es werden neben einer wissenschaftlichen Publikation auch Handlungsempfehlungen zu einer digitalen Zielvorstellung abgeleitet, die den Einstieg in ein weiterzuentwickelndes Modell bilden.
Beitrag in der WDR-Lokalzeit Südwestfalen
Ein Kamerateam des WDR hat die Praxis des Holzhausener Hausarztes Dr. Jozsef Marton sowie Studienteilnehmer*innen zuhause besucht, die das Verfahren zur Vitaldatenaufnahme im Rahmen des DMGD-Projektes DataHealth getestet haben. Der Beitrag wurde am Dienstag, 26. Juli 2022 in der WDR Lokalzeit Südwestfalen ausgestrahlt. Dr. Olaf Gaus, Leiter der DMGD, war live im Studio dabei.
Projekt-Meilensteine
09. & 22. Oktober 2018
1. Ärzteworkshop (09.10.18) im Hickengrund mit Dr. med. Dietmar Werner, Dr. med. Jozsef Marton und Fudu Yu in der Alten Schule Burbach-Holzhausen.
2. Ärzteworkshop (22.10.18) im Forschungskolleg der Universität Siegen.
Foto: Harri Hermann
23. November 2018
Gespräch über eine LEADER-Förderung des Vorhabens „DataHealth“ mit dem Regionalmanagement der LEADER-Region-3-Länder-Eck, vertreten durch Anne Kathrin Hoß und Annika Wolf, im Forschungskolleg.
26. Mai 2021
LEADER-Projektförderung bewilligt
Das Projekt DataHealth kann noch im Sommer 2021 starten. Der Vorstand der LAG 3-Länder-Eck gab insgesamt 165.000,00 € Fördermittel frei (Gesamtsumme ca. 226.000 €, unter Vorbehalt einer Bewilligung durch die Bezirksregierung).
15. Juli 2021
Projektstart: „Data Health Burbach – Flexible Patientendaten für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“
22. September 2021
Kick-off-Meeting in Burbach
Demonstration und erste Tests zur Aufnahme und dem Transfer von Vitaldaten für das Pflegepersonal aus Lützeln.
November 2021
Interne Testphase der entwickelten Anwendung zur Datenübertragung
Dezember 2021
Bewilligung des Ethikantrags und Start der Interventionsphase in der Lützelner Pflegeeinrichtung
März 2022
Veranstaltung mit Live-Demonstration: Vorstellung des Projekts „DataHealth“ im Rahmen des 6. Holzhäuser Ärztegesprächs in Burbach-Holzhausen.
April 2022
Start der zweiten Interventionsphase: Messung bei Patienten zuhause
Juli 2022
Abschluss der zweiten Interventionsphase
Die Praxisphase im Projekt DataHealth in Burbach ist abgeschlossen. Im Dezember 2021 waren zunächst Proband*innen im Seniorenheim in Lützeln mit den digitalen Messgeräten und Smartphones ausgestattet worden. Ab April konnte dann eine weitere Gruppe an Studienteilnehmer*innen die Anwendung zur Vitaldatenaufnahme im eigenen Zuhause testen.
Begleitet wurden beide Praxisphasen von qualitativen Interviews mit den teilnehmenden Patient*innen, dem unterstützenden Pflegepersonal sowie den Hausärzt*innen. Diese werden aktuell vom Projektteam ausgewertet. Nach Ende der Projektlaufzeit in wenigen Wochen werden die Ergebnisse der Studie publiziert.
Februar 2023
Abschlusspräsentation der Ergebnisse
Die Projektergebnisse zu DataHealth wurden im Februar in Wilnsdorf präsentiert. Das Fachpublikum diskutierte anschließend mit den Wissenschaftlern über die Verwertbarkeit in der Region und signalisierte Interesse an einem Folgeprojekt.
Das abgeschlossene Projekt hat wichtige Erkenntnisse für die gesundheitliche Versorgung und neue Versorgungsmodelle geliefert: Vitaldatenwerte, die durch Selbstmonitoring erhoben und automatisiert an Arztpraxen übermittelt wurden, können demnach in ihrer Vielzahl die Prävention und Diagnostik unterstützen.
Presseschau
Projektstatus
Projektleiter
Projektpartner
Hausarztpraxis Fudu Yu
Hausarztpraxis Dr. Jozef Marton
Initiative „LebensWERTE Dörfer“ (Gemeinde Burbach)
Lebensgemeinschaft Christlicher Senioren gGmbH
Regionalverein LEADER-Region 3-Länder-Eck e. V. (Förderprogramm LEADER der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raums)
Beteiligte Lehrstühle:
Lehrstuhl für Medizinische Informatik und Mikrosystementwurf, Prof. Dr. Rainer Brück
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves
Lebenswissenschaftliche Fakultät, Prodekan Health Care, Prof. Dr. med. Veit Braun
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