MEDIgration 2024: Expert*innen fordern einfachere Anerkennungsverfahren und eine schnellere Digitalisierung

Podiumsdiskussion auf der MEDIgration 2024, Bildautor: R. Waelder

Am 13. September fand im Freiburger Konzerthaus die Fachtagung „MEDIgration 2024“ statt. Die 2017 erstmals von der Freiburg International Academy (FIA) ausgerichtete Veranstaltung beleuchtete in ihrer zweiten Auflage das Thema „Gesundheitsfachkräftemangel im ländlichen Raum“. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion sprachen Expert*innen über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen und stellten Ansätze vor, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Unsere Region wurde vor Ort durch Dr. Olaf Gaus, geschäftsführender Leiter der „Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ (DMGD), vertreten.

„Die FIA hat es sich zur Aufgabe gemacht, internationale Gesundheitsfachkräfte für den deutschen Gesundheitssektor zu qualifizieren“, so Prof. Dr. Nabeel Farhan, Gründer und ärztlicher Leiter der FIA, Initiator der „MEDIgration 2024“ sowie langjähriger Studienarzt der DMGD. Inzwischen seien mehr als 5000 Absolventen auf dem deutschen Arbeitsmarkt tätig. Neben acht Standorten bundesweit sei aktuell die Entwicklung einer FIA-Applikation geplant, um Fachpersonen auch im Ausland erreichen und unterstützen zu können, die beispielsweise vor Ort keine Möglichkeit haben, geeignete Sprachkurse zu belegen.

Die Expert*innen der Podiumsdiskussion stimmten darin überein, dass Anerkennungsverfahren für ausländische Ärzt*innen und Pflegefachpersonen vereinfacht und Digitalisierungsprozesse im Gesundheitswesen beschleunigt werden müssen. Nichtsdestotrotz ist das deutsche Gesundheitssystem sehr komplex. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bedingungen in den 16 Bundesländern nicht einheitlich geregelt sind.

Dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen begegnen
„Am Personalthema hängt die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems“, so Markus Skiba, Leiter des Amts für Migration und Integration, in seiner Eröffnungsrede. Um den Auswirkungen des demographischen Wandels und einer hohen Personalfluktuation im Klinikbereich zu begegnen, sei das Zusammenspiel von vielen Akteur*innen, Politik und Verwaltung notwendig. Ebenso ein „integrationsfreundliches gesellschaftliches Klima und ein medizinischer Betrieb, der internationale Teams als Bereicherung und nicht als Belastung erlebt“. Markus Skiba lobte das Engagement der FIA und bezeichnete sie als „innovativen Player“ und „Pionier mit Visionen“ hinsichtlich der Qualifizierung und Integration internationaler Gesundheitsfachkräfte.

Die Rolle der Digitalisierung
Dr. Tim Gerhäusser, Dezernent für Ordnung, Gesundheit und Strukturpolitik im Landkreistag Baden-Württemberg, betonte die Attraktivität der ländlichen Räume und die Bedeutung der Digitalisierung: „Die fortschreitende Digitalisierung verändert nahezu alle Facetten unseres Lebens und kann der Schlüsselspieler sein.“ Um die medizinische Versorgung langfristig zu sichern, seien viele Bausteine erforderlich. Als Beispiele nannte er u. a. den Ausbau digitaler Infrastruktur, medizinische Versorgungszentren, die Delegation ärztlicher Leistungen, digitale Sprechstunden sowie eine sektorenübergreifende Versorgung.

Auch Dr. Olaf Gaus sagte: „Wir müssen mit der Infrastruktur beginnen.“ Die Zahl der hausärztlichen Praxen in Deutschland würde im schlimmsten Fall bis zum Ende des Jahrzehnts um 50 % zurückgehen. Daher sei eine Datenmedizin notwendig, die mit der Medizin zusammen funktioniert. „Wir müssen die Qualität halten und die Synergieeffekte durch die Digitalisierung intersektoral nutzen.“, so Dr. Olaf Gaus. Um die Versorgungsressourcen in die Fläche zu bekommen, hat die DMGD bereits mehrere Projekte in ländlichen Regionen durchgeführt – jüngst wurde die Studie „Telemed@ATN“ in Attendorn zusammen mit Prof. Dr. Nabeel Farhan als Studienarzt erfolgreich beendet.

Situation auf Bundes- und Landesebene
Ellen Breuer, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, gab positive Einblicke in die aktuelle Lage seit der sukzessiven Öffnung des Arbeitsmarktes für internationale Fachkräfte im Jahr 2005: „Knapp elf Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte arbeiten in Deutschland. Der Anteil ausländischer Ärzt*innen ist um 40 000 Personen seit der Einführung des Anerkennungsgesetzes 2011 gestiegen.“ Dies entspräche einem Anteil von 15 % aller Ärzt*innen, die in Deutschland arbeiten. Dennoch sieht sie aufgrund der Unterschiedlichkeiten in den Berufen, den Herkunftsländern und Zielregionen die dringende Notwendigkeit einer einfacheren, standardisierten Gestaltung durch strukturierte Anwerbeprogramme. „Die einzige Lösung werden langfristig die Digitalisierung und die KI sein“, so Ellen Breuer.

Leonie Dirks, Ministerialdirektorin und Amtschefin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, berichtete, dass derzeit eine Landesagentur für Fachkräftezuwanderung in Baden-Württemberg aufgebaut werde, die im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll. Auch sie stimmte den anderen Expert*innen hinsichtlich der Relevanz der fortschreitenden Digitalisierung zu und sah lediglich die Prävention in der Reihenfolge ganz vorne: „Präventiv vor digital vor ambulant vor stationär.“

Würdigung des Engagements der FIA
Zum Ende der Fachtagung berichteten drei ehemalige Sprachkurs-Teilnehmer*innen der FIA, wie sehr sie von der Weiterbildung und der Unterstützung profitiert haben.

Die FIA ist eine gemeinnützige Bildungsorganisation für die fachliche Weiterbildung internationaler Gesundheitsfachkräfte. Sie bietet Qualifizierungsmaßnahmen für Teilnehmer*innen an, die Prüfungen zur beruflichen Anerkennung in Deutschland ablegen möchten. Dazu gehören beispielsweise auch Sprachkurse für Allgemein- und Fachsprache. An acht Standorten in Deutschland beschäftigt die FIA derzeit ca. 70 Mitarbeiter*innen.

Das Video der Fachtagung „MEDIgration 2024“ vom 13. September kann in voller Länge auf YouTube unter folgendem Link angeschaut werden: https://www.youtube.com/watch?v=uS5FSLQx5Us. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.

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