Digitalisierung und Gesundheit lautete das Thema, das im Zentrum des Interesses stand, als jetzt (8. Juli 2019) eine Ratsdelegation der niederländischen Partnerstadt Katwijk um Bürgermeister Cornelis Visser in Siegen zu Gast war. Das Forschungskolleg der Universität Siegen präsentierte aktuelle Themen und Projekte zur Digitalisierung der Zukunft der regionalen der gesundheitlichen Versorgung und der Administration von Gemeinden und Kreisen.
Das niederländische Katwijk und das Forschungskolleg Siegen (FoKoS) verbindet ein gemeinsames Interesse: die Digitalisierung in verschiedenen Bereichen. Im FoKoS wird dieses Themenfeld bereits seit mehreren Jahren behandelt. Von zentralem Interesse sind dabei die Digitalisierung der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum und die digitale Administration von Gemeinden und Kreisen. Am FoKoS werden vor diesem Hintergrund unter anderem Digitalisierungsstrategien für Kommunen entwickelt und Forschungsprojekte durchgeführt, die auf eine Modernisierung der gesundheitlichen Versorgung abzielen und beispielsweise die Anwendung technischer Assistenzsysteme im gesundheitlichen Kontext untersuchen. Die Veranstaltung am 8. Juli 2019 wurde genutzt, um diese Projekte vorzustellen und über zukunftsfähige digitale Ansätze zur Lösung verschiedener gesellschaftlicher Probleme zu diskutieren.
Dr. Olaf Gaus, Geschäftsführer des FoKoS, brachte den Gästen aus Katwijk in seinem Vortrag das Forschungsfeld „Digitale Modellregion Gesundheit Südwestfalen“ näher, welches im Zuge der drohenden ärztlichen Unterversorgung der hiesigen Region entstanden ist und auf die Entwicklung zukunftsfähiger Lösungen zur Sicherung und Vereinfachung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum abzielt. „In zehn Jahren werden wir nur noch die Hälfte an Ärztinnen und Ärzten haben. Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass die Landärzte dann die doppelte Anzahl an Patienten haben werden. Eine gesicherte Versorgung unter diesen Umständen ist unmöglich und deshalb arbeiten wir an technischen Lösungen zur Unterstützung.“ erklärte Dr. Gaus. Derzeit werden in verschiedenen Orten in Südwestfalen und darüber hinaus konkrete Probleme in einzelnen Projekten analysiert. In Sundern untersucht eine Forschergruppe die Kommunikationswege zwischen Ärzten, Patienten, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Apotheken. Durch Digitalisierung kann die Kommunikation verbessert und beschleunigt werden. Hausarztpraxen im Burbacher Hickengrund konnten gewonnen werden, um Patientenmobilität durch Datenmobilität zu ergänzen. Probanden werden demnächst ihre Gesundheitsdaten mobil an die Praxen übermitteln. Im angrenzenden Haiger könnten diese Daten in einer Digitalen Praxis zusammenlaufen, wenn sich weitere Hausarztpraxen dem digitalen Modell anschließen. Mit der Nutzung von digitalen Assistenzsystemen können nichtärztliche Praxisassistentinnen bei Hausbesuchen delegiert werden und die Ärzteschaft entlasten. Eine Studie darüber wird aktuell mit elf Hausarztpraxen im Kreis Altenkirchen durchgeführt. Ziel der Erhebungen sind entstehende Entwicklungsprojekte. In einem aktuellen Entwicklungsprojekt werden beispielsweise intelligente Sensormaterialien in ein Wundpflaster integriert. Dadurch kann auf digitalem Weg eine ständige Diagnostik stattfinden und über den Zustand der Wunde informieren.
Eine Übersicht und detaillierte Beschreibungen zu allen Projekten aus dem Bereich Digitale Medizin befindet sich auf der Homepage der Digitalen Modellregion Gesundheit Südwestfalen.
Im Anschluss stellte die FoKoS-Mitarbeiterin Kristina Röding unter anderem die Gemeinsame Initiative Digitalisierung vor. Diese arbeitet an einer Digitalisierungsstrategie für den Kreis Siegen-Wittgenstein, die sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientiert. Weitere Projekte zur Digitalisierung in der Verwaltung von Gemeinden und Kreisen sind BLB.digital, das zukunftsfähige (Digital-)Strategien für die Stadt Bad Berleburg entwickelt, um die Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität vor Ort zu sichern, sowie DALES: Data Analytics für den lokalen Einzelhandel in einer zukünftigen Smart City, in dem konzeptionell Anwendungsbeispiele für eine Daten-Plattform (Urban Data Pool) identifiziert werden. Im Vorfeld der Projektinitiativen hatte das FoKoS die 396 Gemeinden und 31 Kreise des Landes Nordrhein-Westfalens befragt, um besser zu verstehen, wie die öffentliche Verwaltung der Digitalisierung begegnet.
Alle Forschungsprojekte zum Thema Digitalisierung für Gemeinden und Kreise können hier im Detail nachvollzogen werden.
Bevor die Veranstaltung mit der Demonstration ausgewählter FoKoS-Projekte endete, diskutierten die Anwesenden angeregt über die vorgestellten Forschungsvorhaben und die Möglichkeiten der Kooperation. Dabei stand schnell fest: Siegen und Katwijk können von den Kompetenzen der jeweils anderen Stadt lernen und in Zukunft von den zu erwartenden Synergieeffekten profitieren. Auch eine vertiefte Zusammenarbeit auf EU-Projektebene wurde als eine mögliche Option diskutiert. Insbesondere das Thema der regionalen, digitalen Gesundheit habe nach einhelliger Meinung europaweite Bedeutung.
Steffen Mues, Bürgermeister der Stadt Siegen, stellte zum Abschluss fest: „Wir sind mit unseren Digitalisierungsstrategien noch nicht so weit, wie es die Niederlande sind. In Deutschland ist das Thema Digitalisierung spät angekommen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit dem FoKoS wissenschaftliche Experten haben, die uns zeigen, was möglich ist, sich mit uns austauschen und mit uns in gemeinsamen Projekten kooperieren.“