Am 13. April 2023 organisierte die Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck (DMGD) ein Kolloquium zum Thema „Neue spektroskopische Techniken für die nicht-invasive Blutzuckermessung bei Diabetes“. Zum Vortrag begrüßte Dr. Olaf Gaus, geschäftsführender Leiter der DMGD, Prof. Dr. Werner Mäntele, Mitgründer und CSO des Berliner Unternehmens DiaMonTech. Als Experte im Bereich Infrarotspektroskopie ist er maßgeblich an der Entwicklung grundlegend neuer Verfahren zur nicht-invasiven Blutzuckermessung beteiligt. Siegener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen diskutierten gemeinsam über Vorteile und Anschlusspotenziale dieser innovativen Technologie, die sich für die Versorgung von Diabetes-Patientinnen und -Patienten sowie für weitere Forschung und Entwicklung ergeben. Die DMGD strebt an, die DiaMonTech-Technologie im Rahmen einer erweiterten Telemonitoring-Studie erstmalig für Patientinnen und Patienten in die häusliche Anwendung zu bringen.
„Man kann Diabetes aktuell nicht heilen, aber man kann die Erkrankung besser managen.“, so Prof. Mäntele. Standardmäßig bestimmen Diabetes-Patientinnen und -Patienten ihren Glucosespiegel entweder durch Verwendung eines Teststreifens nach Entnahme eines Bluttropfens am Finger oder durch minimal-invasive Sensoren, die auf der Haut angebracht sind. „Unser Ziel ist eine reagenzienfreie, nicht-invasive Glucosemessung, die es den Patientinnen und Patienten erlaubt, häufiger zu messen und dadurch seltener in einen Wertebereich zu fallen, der mit Komplikationen verbunden ist.“, erklärt der Wissenschaftler. Häufigere Kontrollen könnten helfen, die Grenzen eines gesunden Wertebereichs zu wahren, das eigene Gesundheitsbewusstsein zu steigern sowie langfristig den Lebensstil positiv zu beeinflussen. Damit ließen sich perspektivisch auch die Behandlungskosten senken, so Prof. Mäntele weiter.
Telemonitoring bei Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen
In Deutschland sind aktuell über 8 Mio. Menschen mit Diabetes diagnostiziert. Ein weiterer Anstieg der Fallzahlen ist zu erwarten – aufgrund der steigenden Lebenserwartung und damit einhergehend erhöhter Komorbiditätsraten, begünstigt durch weitere Faktoren wie einem ungesunden Lebensstil und mangelhaften Ernährungsgewohnheiten. Durch die Etablierung nicht-invasiver Messmethoden würden millionenfach medizinische Einwegprodukte wie Nadeln, Flügelkanülen und Teststreifen obsolet. Gleichzeitig ließe sich eine belastbarere Datenbasis für Patientin oder Patient sowie deren behandelnde*n Ärztin oder Arzt schaffen, da die Messungen unkomplizierter durchführbar sind und somit enger getaktet werden können. Die DMGD-Studie DataHealth in Burbach hatte bereits gezeigt, welche Vorteile sich durch ein individuell angepasstes Monitoring relevanter Vitalwerte ergeben. Insbesondere chronisch Kranke können durch Telemonitoring von einer engmaschigen Kontrolle profitieren, ohne dazu die Haus- oder Facharztpraxis ständig aufsuchen zu müssen. Zudem verfügen die Ärztinnen und Ärzte über eine größere Datenbasis als Entscheidungsgrundlage für mögliche Interventionen. Die DMGD plant, in Kooperation mit DiaMonTech, die Devices zur nicht-invasiven Blutzuckermessung im Rahmen einer erweiterten Telemonitoring-Studie einzusetzen und deren alltägliche Verwendung durch die Patientinnen und Patienten im häuslichen Umfeld zu testen.
Innovatives Messverfahren als Ergebnis jahrzehntelanger Forschungstätigkeit
Prof. Dr. Werner Mäntele verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Spektroskopie und war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2018 Professor für Biophysik an der Goethe-Universität Frankfurt, an der er auch maßgeblich an der Entwicklung der Biophysik-Studiengänge mitwirkte. Er ist Editor der Spektroskopie-Fachzeitschrift „Spectrochimica Acta Part A“ und übt weiterhin Gutachtertätigkeiten, u. a. für EU- und BMBF-Projekte sowie für die DFG, aus. Prof. Mäntele forschte insbesondere im Bereich der Infrarotspektroskopie und widmete sich neuartigen Verfahren zur Glucosemessung, die nicht-invasiv „in vivo“ durchgeführt werden können. 2015 startete er mit weiteren Gründern das Unternehmen DiaMonTech mit Sitz in Berlin, welches unter anderem vom BMBF im Rahmen des Programms „KMU-innovativ“ gefördert wird.
Prof. Mäntele skizzierte in seinem Vortrag zunächst die Geschichte spektroskopischer Verfahren und erläuterte Vor- und Nachteile verschiedener etablierter biomedizinischer Verfahren im Bereich der Infrarotspektroskopie wie zum Beispiel der ATR-Messtechnik (Abgeschwächte Totalreflexion) oder der Photoakustik. Zur nicht-invasiven Bestimmung des Glucosespiegels kommt schließlich ein photothermisches Verfahren zum Einsatz, bei dem die Absorption von Infrarotlicht in der interstitiellen Flüssigkeit (ISF) der Epidermis als Temperaturänderung sensorisch erfasst werden kann. Das Aussenden verschiedener Wellenlängen innerhalb des Infrarotspektrums mittels Laser führt dabei zu einem unverkennbarem Profil – einer Art „Fingerabdruck“ – für Glucose-Moleküle, welches sich deutlich von anderen Molekülen wie Fructose oder Lactose unterscheidet. Somit wird eine sehr präzise Bestimmung des Glucose-Spiegels „in vivo“ ermöglicht. Die Messtechnik eignet sich auch für die klinisch präzise Ermittlung (gem. RiliBäk-Richtlinie) von aktuell sieben weiteren Blutparametern, darunter Harnstoff, Albumin und Triglyceride. Das Verfahren zur Glucose-Messung ist durch diverse klinische Testreihen validiert und mehrfach patentiert. Das zur Messung entwickelte „D-Base“-Tischgerät erhielt 2020 die CE-Zulassung als Medizingerät. Aktuell kommt es im Rahmen einer Studie zum Einsatz, in der die mehrfach tägliche Anwendung bei über 100 Probandinnen und Probanden in einem Diabetes-Zentrum getestet und evaluiert wird. Als portable Alltagslösung wurde das „D-Pocket“-Gerät entwickelt, eine zugehörige DiGa-App befindet sich in Zulassung. Für die Zukunft wird eine noch kompaktere Bauweise als Wearable angestrebt.